Mythos Gesellschaftsrecht

Unter Existenzgründern und Selbstständigen gibt es viele Mythen in Bezug auf Gesellschaftsformen und das Gesellschaftsrecht. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Frage nach der Gesellschaftsform spielt für viele schon von Anfang an eine sehr wichtige Rolle. Die meisten Gründer beschäftigten sich oftmals schon in einer sehr frühen Phase der Gründung mit diesem Thema. Viele denken sogar schon darüber nach, wenn die Geschäftsidee gerade erst geboren wurde. Spezialisierte Anwalts- und Steuerkanzleien, die ihre Dienstleistungen und Unterstützung bei einer Existenzgründung anpreisen, unterstützen den Eindruck besonderer Wichtigkeit maßgeblich. Dabei gibt es sehr viele Mythen im Gesellschaftsrecht, die mitunter sehr teuer für den Existenzgründer werden können. Daher lohnt es sich, einige der am weit verbreitetsten Mythen näher unter die Lupe zu nehmen.
„Eine Gesellschaft muss schnellstmöglich geründet werden.“
Das ist einer der am weitesten verbreiten Mythen – und leider so falsch wie teuer. Die meisten Existenzgründer beginnen als Einzelunternehmen und sind damit sehr gut aufgestellt. Grundsätzlich gibt es überhaupt nur drei Gründe, warum eine Gesellschaft frühestmöglich geründet werden sollte:

  • große Haftungsrisiken für die Gesellschaft,
  • Nutzung spezifischer steuerlicher Vorteile oder
  • das bisherige Unternehmen steht kurz vor einer Finanzierungslücke.

Trifft keiner dieser drei Gründe zu, dann ist das Einzelunternehmen für Existenzgründer zunächst die beste Wahl. Die Gründung einer Kapital- oder Personengesellschaft ist mitunter sehr zeit- und kostenintensiv. Diesen Zeit- und Kostenaufwand sollte der Gründer in der Startphase möglichst vermeiden und lieber in den Aufbau seiner Selbstständigkeit investieren. Kapitalgesellschaften und die ihnen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften (GmbH & Co. KG) unterliegen außerdem mit Eintragung im Handelsregister der Offenlegungspflicht beim Bundesanzeigerverlag – auch wenn das Unternehmen noch gar nicht oder nicht mehr unternehmerisch tätig ist! Die Offenlegungspflicht verursacht bei einer Vorratsgesellschaft oder stillgelegten Gesellschaft nur unnötig Kosten, da die Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlüsse erst mit der Löschung aus dem Handelsregister erlischt.
Setzen sich mehrere Personen an einen Tisch und besprechen die ersten Schritte einer Zusammenarbeit, haben sie dadurch – meist ohne ihr Wissen – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet (konkludentes Verhalten). Da es für die GbR keinen Formzwang gibt, ist ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht notwendig. Die gemeinsame Absicht Gewinn zu erzielen, reicht für die Gründung der Gesellschaft aus. Die Aktivitäten dieser GbR können zu einem späteren Zeitpunkt ohne Probleme in eine Kapitalgesellschaft überführt werden. Diesen Schritt sollte man allerdings erst dann vollziehen, wenn eine der oben genannten Gründe vorliegt.
Kleiner Tipp: Wenn sich bereits in der Frühphase der GbR abzeichnet, dass es mit einem oder mehreren Beteiligten der Gesellschaft Probleme oder Auseinandersetzungen gibt bzw. geben könnte, sollten hier die Mitgründer frühestmöglich die Reißleine ziehen, bevor eine solche Person mit in eine Kapitalgesellschaft aufgenommen wird. Andernfalls könnte es teuer und nervenaufreibend werden, diese Person wieder loszuwerden. Daher empfiehlt es sich auch bei einer GbR wesentliche Verabredungen und Absprachen im Sinne der Rechtssicherheit zu dokumentieren und einen Gesellschaftsvertrag zu schließen.
„Eine Unternehmergesellschaft ist viel billiger als eine klassische GmbH.“
Vorsicht, auch hier kann es schnell teuer werden, denn eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG (haftungsbeschränkt), so die offizielle Abkürzung) ist nur scheinbar auf den ersten Blick billiger als eine GmbH. Eine UG (haftungsbeschränkt) kann zwar mit einer Stammeinlage von nur einem Euro gegründet werden (eine GmbH dagegen mit 25.000 Euro) und auch die Kosten für den Notar fallen in der Regel geringer aus, allerdings dürfen dabei von einigen speziellen Regelungen nicht abgewichen werden. So darf beispielsweise der Mustervertrag, mit dem eine UG (haftungsbeschränkt) gegründet wird, nicht verändert werden. Wird bei der Gründung der Mustervertrag geändert, fallen die Notarkosten meist sogar noch höher aus als bei der Gründung einer GmbH. Alle weiteren Verpflichtungen der Gesellschaft sind genauso hoch und umfangreich wie bei einer GmbH. Das betrifft u. a. die steuerlichen und handelsrechtlichen Pflichten, die Einreichung der Bilanzen beim Finanzamt und beim Bundesanzeigerverlag etc.
Manchmal wird die UG (haftungsbeschränkt) auch teurer als eine GmbH. Die Gesellschaft unterliegt nämlich der Thesaurierungspflicht, die die freie Verwendung der Mittel einschränkt. So müssen 25 Prozent des Jahresgewinns als Rücklage in die Stammeinlage fließen, bis diese eine Höhe von 25.000 Euro erreicht hat. Anschließend kann die Gesellschaft in eine GmbH umgewandelt werden. Wird darauf verzichtet, gilt die Thesaurierungspflicht weiter.
„Die englische Variante der GmbH – die Limited – spart viel Geld.“
Auch das gehört in das Reich der Mythen. Gründungsexperten raten dringend von einer englischen Limited als Gesellschaftsform für Existenzgründer ab. Sie ist nicht nur ungeeignet, sondern mitunter auch gefährlich. Mittel aus Förderprogrammen und auch viele Investoren zahlen nur an Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Bei einer Limited liegt der Hauptsitz dagegen in England. In Deutschland werden lediglich Zweigniederlassungen gegründet, die von der Förderung durch staatliche Programme regelmäßig ausgeschlossen sind.
Nach wie vor umweht diese Rechtsform außerdem der Ruf, dass der Gründer von seiner Geschäftsidee selbst nicht ganz so recht überzeugt ist und daher eine Konstruktion mit Netz und doppelten Boden gewählt hat. Immer wieder kommt es auch vor, dass Investoren, Lieferanten und Dienstleister nicht mit Limiteds zusammenarbeiten wollen, da diese nicht die klassische Bonitätsprüfung wie andere Gesellschaftsformen in Deutschland durchlaufen. Außerdem handelt die Limited nach englischem Recht, so dass es schwierig für Geschäftspartner wird, ihre Ansprüche und Forderungen gegen die Limited in England einzuklagen.
„Kapitalgesellschaften schützen vor der persönlichen Haftung.“
Der eigentliche Grund, warum sich Existenzgründer für eine Kapitalgesellschaft entscheiden, ist der Ausschluss bzw. die Beschränkung der persönlichen Haftung. Die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren hat aber immer wieder deutlich vor Augen geführt, dass Geschäftsführer, deren Aufgabe es u. a. ist, Schäden von der Gesellschaft abzuwenden, immer häufiger für Fehler in Regress genommen werden. Das kann zum Teil zu dramatischen persönlichen und finanziellen Konsequenzen für den Geschäftsführer führen. Der Abschluss einer D&O-Versicherung (Directors & Officers) wird daher dringend empfohlen. Sie bietet dem Geschäftsführer zwar keinen umfassenden einhundertprozentigen Schutz, aber solche Versicherungen kosten in der Regel nicht viel und im Vergleich von Leistungen und Konditionen lohnen sie sich zur Begrenzung möglicher Schäden auf jeden Fall.
„Der Gesellschaftsvertrag ist mal eben schnell geschrieben.“
Sicherlich lässt sich der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft auch mal schnell auf einem Stück Papier herunterschreiben. Ob so ein Vertrag die Gesellschafter jedoch ausreichend schützt, ist eine andere Frage. Auch alte Dokumente lassen sich schnell anpassen, aber wie immer liegt der Teufel auch bei einer Gesellschaftsgründung im Detail. Am Kapitalmarkt haben sich bestimmte rechtliche Standards und Mechaniken entwickelt, die vor allem zu einer rechtlich ordentlichen Zusammenarbeit mit Investoren beitragen sollen.
Werden solche Standards durch die Gesellschaft nicht berücksichtigt, könnten Investoren schnell abgeschreckt werden und auf ein Engagement verzichten. Das Gegenteil aber bewirkt das gleiche Verhalten: auch sperrige rechtliche Strukturen halten viele Investoren von einem Engagement ab. In einem Gesellschaftsvertrag sollten darüber hinaus auch häufig vorkommende Situationen und Konflikte von vorneherein geregelt werden. Das erfordert allerdings Wissen und Know-how, über das nur noch wenige Laien verfügen. Auch die aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung sollte in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben. Ansonsten kann es schnell passieren, dass sich Gesellschafter aufgrund veralteter Vertragsformulare schnell vor Gericht wieder finden. Diesen Aufwand an Kosten und Zeit können sich Existenzgründer sparen und lieber in den Aufbau des Unternehmens investieren.
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